20151205: Audi S1 gegen MINI JCW und Opel Corsa OPC - Rennstreckentest

  • Unter 200 PS braucht sich hier niemand blicken lassen: Die runderneuerten Rabauken von Mini und Opel treten gegen den aufgefrischten Audi S1 an. Wer erkämpft sich den Heldenstatus auf Landstraße und Rennstrecke?


    Knapp über 7.026 Kilometer wären dann doch eine etwas zu lange Strecke. Dann eben mal wieder Hockenheimring statt Indianapolis Speedway, wenngleich das traditionelle Kommando zum Indy-500-Rennen jetzt gut passen würde: "Gentlemen, start your engines!" Denn das geschieht auf ganz unterschiedliche Art und Weise: Im Audi S1 muss dazu ein Alu-Startknopf gedrückt werden, der sich schüchtern hinterm Lenkrad versteckt. Der Mini dagegen feiert sich mit einem roten Kippschalter tief unterhalb der Klimabedienung mal wieder als Charakterdarsteller. Und der Opel? Hey, der Corsa OPC verlangt nach dem klassischen Zündschlüssel, so richtig, mit einer halben Umdrehung im passenden Zündschloss – wir hatten es fast vergessen. Ob das vielleicht ein erster Hinweis auf den günstigen Einstiegspreis ist? Für 25.400 Euro rückt Opel den 207 PS starken Corsa raus, mal eben 6.350 Euro weniger als beim Mini, der mit 31.750 Euro sogar den Audi S1 überbietet, was allerdings an der aktuellen Zwangskopplung mit Automatikgetriebe liegt. Audi und Mini holen zudem mit jeweils 231 PS rund zehn Prozent mehr Leistung aus ihren Triebwerken.


    Kein Wunder, schließlich stecken jeweils Zweiliter-Aggregate im Bug, während der Opel Corsa OPC mit 1,6 Litern Hubraum auskommen muss – was ihm einigermaßen egal zu sein scheint. Zornig reißt der Direkteinspritzer an, müht sich kaum mit dem knapp 1,3 Tonnen schweren Zweitürer, beschleunigt ihn in 7,3 Sekunden auf 100 km/h, bis 200 km/h vergehen aus dem Stand 35,2 Sekunden. Okay, die Werksangabe schafft er damit nicht ganz, ein bisschen wetterfühlig scheint der Motor zu sein, doch dazu später mehr. Schon früh packt das Aggregat zu, obwohl das maximale Drehmoment von 245 Newtonmetern (280 Nm im Overboost) erst bei vergleichsweise späten 1.900 Umdrehungen anliegt. Kein Turbo-Genickschlag also? Nein, nicht wirklich, wenngleich ab 2.000/min der Schub spürbar ansteigt. Erst ab 5.500/min, dann, wenn der Klang endgültig vom Banalen ins leicht Dröhnige kippt, lässt sein Elan etwas nach – oder früher, wenn draußen die Luft flimmert. Als der Opel bei 27 Grad Außentemperatur über den Kleinen Kurs in Hockenheim hetzt, schickt sein mit 8,8 : 1 verdichtetes Triebwerk beim Hochschalten vom dritten in den vierten Gang einen erheblichen Teil der Pferdestärken in die Sommerfrische, der Druck bricht fast zusammen.


    Opel Corsa OPC: Neutral mit leichten Traktionsschwächen
    Bei den Standardmessungen an einem kühleren Tag trat dieses Phänomen nicht auf. Daher darf sich der Corsa OPC gerne für seine Rundenzeit von 1.20,4 Minuten guten Gewissens selbst auf den Spoiler klopfen, zumal ihn sein Hersteller ohne das optionale Performance- Paket zum Test schickt – und darin steckt das Heilmittel gegen akute Traktionsschwäche: ein mechanisches Sperrdifferenzial. Und ja, es fehlt ihm, obwohl die optionalen 18-Zoll- Räder montiert sind. Vorsicht also, diese Konfiguration lässt keinen digitalen Fahrstil zu, eins-null, an-aus, das klappt nicht, dann verraucht zu viel Leistung. Mit einer ordentlichen Schicht Gefühl unter der rechten Schuhsohle findet sich aber bald eine passende Linie, zumal die Abstimmung zeigt, dass in der OPC-Truppe um Volker Strycek sehr talentierte Fahrwerker arbeiten. Der Corsa biegt sich mit seinem neutralen Eigenlenkverhalten beinahe jeden Kurvenradius zurecht, jammert nur selten das Klagelied des Untersteuerns, fegt sehr agil über die Rennstrecken, aber auch durch den Slalom. Das Stabilitätsprogramm hat dabei Pause, wenngleich hier noch mal erwähnt werden muss, liebe Opelaner, dass es eigentlich keinen Unterschied zwischen "deaktiviert" (leuchtet bei hochgesetzter Regelschwelle auf ) und "ausgeschaltet" (dann ist die Elektronik wirklich aus) gibt. Ein bisschen verwirrt auch die Größe des Corsa, denn mit einer Länge von 4,04 Metern übertrifft er seine beiden Konkurrenten um 6 (Audi) und 16 Zentimeter (Mini). Zudem fällt seine Sitzposition trotz der filigranen und sensationell stützenden Recaro-Schalen zu hoch aus.


    Allerdings kommt das Duo aus Fahrwerks- und Lenkungsabstimmung praktisch nie aus dem Takt, hilft immer mit sehr guter Rückmeldung. Damit wetzt der Opel Corsa OPC mit demselben Feuer durch Kurven wie Kinder durch Spielwarenläden. Nur das Versprechen vom guten Komfort durch die mit speziellen Ventilen ausgerüsteten, sozusagen mechanischadaptiven Dämpfer hält der Opel nicht.


    Mini JCW kann nun auch beim Komfort punkten
    Das hat der Mini JCW mit seinen elektronisch geregelten Dämpfern, die zwei Kennlinien einprogrammiert bekamen, definitiv besser drauf. Dazu kommt die fein abgestimmte Sechsstufenautomatik, ein vielfältiges Infotainment-Angebot obendrein – stopp! Ja, es stimmt schon, es geht hier um die Mutter aller Frontantriebs-Berserker der Unter-vier-Meter- Klasse, das britische Rumpelstilzchen auf vier Rädern, den auspuffsprotzelnden und lastwechselnden Wüterich der Mini-Familie.


    Zunächst, so scheint es, sind bei ihm die fetten Jahre nicht vorbei, nein, sie fangen gerade erst an – allerdings nur so lange, bis der Mini JCW in die erste Kurve einbiegt. Ach was, eigentlich rückt bereits das erste Probesitzen das Weltbild wieder gerade und zertrümmert nicht in bester Loriot-Tradition die gesamte Zimmereinrichtung. Nur im Mini bleibt am wenigsten Platz zwischen dem Allerwertesten und dem Asphalt. Nur der Mini schalt seinen Fahrer beinahe wie ein Rennwagen ein. Und nur der Mini reicht das Lenkrad wie zu einem kumpelhaften Handschlag.


    Los jetzt, auf geht's, wo rockt das Leben jenseits der Geraden? Halt, stopp, bleiben wir doch erst einmal auf selbiger, spulen das Standard- Messprogramm ab. Wenn schon unbedingt ein Wandlerautomat sein muss, dann könnte der ja wenigstens zu besten Sprintwerten verhelfen, oder? Ja, nun – nein. Erstens fehlt eine wirksame Launch Control (es gibt nur eine für die Show an der Ampel) und zweitens eine angetriebene Hinterachse, damit der JCW dem S1 den Bürzel langziehen könnte. So vergehen 6,5 Sekunden für den Sprint auf 100 km/h, und bei der Elastizität darf der Mini dem Audi ebenfalls nur traurig nachwinken. Immerhin hängt der Brite seinen Vorgänger ab, obwohl er rund 100 Kilo mehr wiegt (hoppala!).


    Upsizing geht beim JCW auf das Gewicht
    Wie das geht? Es liegt am Upsizing – so nennen wir den Hubraumzuwachs von 1,6 auf 2,0 Liter jetzt einfach mal – und das damit verbundene Leistungsplus. 231 PS und 320 Nm prustet der Vierzylinder aus den Brennräumen mit Direkteinspritzung, spricht nochmals gieriger an als das Opel-Aggregat, geht aber gerne schon mal etwas früher nach Hause, dann, wenn der Audi sich noch mal auf dem Drehzahlspielplatz austoben will. Seltsam, wo doch der eine oder andere konstruktiv verwandte BMW-Turbo-Vierzylinder locker über 6.000/min jubelt. Wie auch immer, wegen Leistungsmangels wird sich kein JCWPilot abends in den Schlaf weinen müssen. Vielleicht eher wegen des Klanges, der mit seinen betonten, sauberen Bässen künstlich erscheint, das Auspuffploppen noch definierter als beim Vorgänger. Dennoch reißt der Sound weit mehr mit als der banale des Corsa.


    Und das Fahrverhalten? Auf jeden Fall! Obwohl… Von vorne: Mit der Gier eines Investmentbankers biegt der Mini JCW ab, seine Lenkung arbeitet geradezu spitz, so spitz, dass der erste Einlenkpunkt mal eben zehn Meter zu früh gesetzt wird. Irre, wie der JCW den Lenkbefehlen folgt, frech, trocken, kommentarlos. Hinsichtlich Rückmeldung und Präzision kann sich die Lenkung jedoch nicht über die des Corsa erheben, der letztlich nur aus der Mittellage heraus etwas konservativer agiert. Daran liegt es also nicht, dass der Mini mit 1.18,5 Minuten die schnellste Zeit auf dem Kleinen Kurs einfährt. Woran dann? Die Leistung alleine könnte noch den Vorsprung gegenüber dem Opel erklären – nicht jedoch gegenüber dem Audi.


    Audi S1 trotz Allradantrieb langsamer als der Mini
    Der Audi S1 benötigt übrigens trotz Allradantrieb 1.18,8 Minuten, doch ihm schadet das zusätzliche Gewicht im Vergleich zum Mini viel mehr, als dass ihm der Traktionsvorteil etwas brächte. Denn auch der JCW baut genügend Grip auf, um flott aus den engen Ecken herauszukommen. Zudem kommt er einfach präziser dorthinein, weil sich die Hinterachse gerne mal zur Mitarbeit überreden lässt – und zwar gut dosierbar. Bemerkenswert: Bei schnellen Richtungswechseln, also im Slalom etwa, keilt der Brite fies aus, verliert jegliche Beherrschung, fordert eine extrem zurückhaltende Fahrweise. Bleibt nach dem Abbiegen der Lenkeinschlag dagegen erhalten, hilft es durchaus, ein wenig länger die Bremse zu bemühen. Dann eben schwingt das Heck leicht mit, der Mini steht früher gerade, kommt also schnell wieder aus dem Eck heraus. Eine mechanische Sperre will Mini seinen Kunden nicht zumuten, eine elektronisch simulierte dagegen schon, was leidlich funktioniert – zumindest bleibt die damit verbundene erhöhte Beanspruchung der Bremse ohne Auswirkung auf die Verzögerungsleistung.


    Er fährt also heiter, der Mini JCW, wenngleich weniger dramatisch als der Vorgänger, jedoch schneller als seine Konkurrenten. Ach ja, liebe Marketing-Menschen: "Maximales Gokart- Feeling", so wie es die Anzeige im riesigen Zentraldisplay bei Aktivierung des Sport-Modus verspricht, bietet nur ein Fahrzeug: ein Gokart. Sonst keines. Auch wenn der JCW zum Agilsten zählt, was in diesem Segment herumfährt. Oder ist er sogar der Agilste seiner Klasse? Zumindest sprechen die relevanten Messwerte dafür, selbst der Audi kann nicht mithalten. Dabei lockt der S1 mit seinem herrlichen TFSI-Motor. Der Vierzylinder entwickelt ein geradezu unerhörtes Drehmoment von 370 Newtonmetern, geht dementsprechend breitschultrig an die Arbeit, als säßen die vier Zylinder beim Profi-Schafkopfen am Stammtisch – hier geht es sofort zur Sache, Partie folgt auf Partie. Und wer nun einen typischen, drehfaulen Turbomotor erwartet, wird sich nach einem Ausritt mit dem Audi S1 in den Staub werfen. Mit bis zu 6.800 Umdrehungen wütet das Aggregat, klingt übrigens kernig-authentisch, nicht hohl oder schepprig, sondern voll und ein bisschen rau.


    Dabei nutzt Audi ebenfalls ein paar Tricks, verstärkt das Ansauggeräusch per Aktuator und nutzt eine Klappensteuerung in der Abgasanlage. Apropos: Die vier Endrohre wirken ein bisschen überschminkt, die Hälfte hätte auch gereicht – hat aber nichts mit den Punkten zu tun. Die zu hohe Sitzposition sowie die zu klein dimensionierten und vergleichsweise weich gepolsterten Sitze ebenfalls nicht, sie verhageln aber das Fahrerlebnis. Dafür passt vor allem im Vergleich zum albern-verspielten Mini die Ergonomie.


    Fahrwerksabstimmung beim S1: Alles außer langweilig
    Und die Fahrwerksabstimmung? Alles außer langweilig. Ein bisschen mehr Aufbaubewegung als Mini und Opel lässt der S1 zwar zu, nicht genug allerdings, dass es stören könnte. Sehr auffällig dagegen: So aufgeschlossen, wie sich der Audi Lastwechselreaktionen gegenüber zeigt, reagieren höchstens südamerikanische Beamte auf finanzielle Zuwendungen. Wer es drauf anlegt, feuert den S1 dramatisch quer in Kurven, stabilisiert ihn dann wieder mit einer ordentlichen Portion Gas, der schnell reagierende Allradantrieb richtet es dann schon. Das wäre also die herkömmliche Methode, mögliches Untersteuern zu unterbinden. Die andere heißt Elektronik.


    Eine Unterfunktion des Stabilitätsprogramms bremst die kurveninneren Räder ab, um einen Drehimpuls zu generieren. Bei anderen Audi-Modellen führte das zu erhöhtem Bremsenverschleiß, der S1 hingegen blieb unauffällig. Auch die zuletzt beim RS 3 monierte ABS-Abstimmung passt besser, wenngleich der Bremspunkt dem Mini und dem Opel spielerischer vor die Frontschürze fällt. Ihre Bremsen lassen sich exakter dosieren. Wirklich warm wird der Audi S1 also nicht mit der Rennstrecke, zumindest subjektiv, denn objektiv bleibt die Differenz zum Mini überschaubar. In der einen oder anderen Ecke arbeitet der Audi einfach ein bisschen nachlässiger, erscheint kompromissbereiter als der Mini. Erst wenn die große Sprinkleranlage von der überirdischen Rennleitung aufgedreht wird, setzt sich der S1 ab, verkraftet viel früher Gas, holt sich so Zehntelsekunde um Zehntelsekunde.


    Jetzt schrumpft das automobile Universum auf 3,98 Meter, eifrig ploppt der kurze Schaltstock mit dem hübschen Alu-Knauf durch die sechs Gassen, erheblich leichtgängiger als der des Opel übrigens. Selbst die Lenkung – nicht unbedingt eine Audi-Spezialität – unterstützt mit guter Kommunikation die ambitionierte Ausfahrt. Wenn nun noch die Leistung auf Nässe in die Bewertung einfließen würde …


    Das ist nicht der Fall, enttäuscht rollt der Audi S1 aus, verpasst knapp den Sieg, Mini JCW und Opel Corsa OPC kühlen bereits knisternd ab. Sicher, es hätte der Ausfahrt mehr Dramatik verliehen, hätte das Kommando "Gentlemen, start your engines!" aus den Lautsprechern geschnarrt, bevor der Startknopf des Audi gedrückt, der Kippschalter des Mini bewegt und der Zündschlüssel des Opel im Schloss gedreht worden wären. Obwohl – hätte es das wirklich?


    Fazit:
    Ach, jetzt wäre ein Baukasten schön. Dann würde ich das Fahrwerk und die Lenkung des Mini mit dem Motor und dem Allradantrieb des Audi verrühren. Und was käme vom Opel? Die Sitze, klarer Fall – und das Preisschild. Ohne das Performance- Paket bleibt dem an sich gelungenen, sehr agilen Corsa hier nur das Nachsehen. Das gilt jedoch vorwiegend für die Rennstrecke. Den Alltag erhellt er mindestens so kräftig wie die absurd teuren Konkurrenten von Mini und Audi. Mal sehen, wie sich der Corsa mit Sperre demnächst im Supertest schlägt.




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  • Die unterschiedlichen Tests sind schon interessant :)
    Bei anderen Tests hinkt er hinterher. Nun ist also der MINI JCW vorne.

    Daran liegt es also nicht, dass der Mini mit 1.18,5 Minuten die schnellste Zeit auf dem Kleinen Kurs einfährt. Woran dann? Die Leistung alleine könnte noch den Vorsprung gegenüber dem Opel erklären – nicht jedoch gegenüber dem Audi.


    Warum ich den Artikel gut finde?
    "liebe Marketing-Menschen: "Maximales Gokart- Feeling", so wie es die Anzeige im riesigen Zentraldisplay bei Aktivierung des Sport-Modus verspricht, bietet nur ein Fahrzeug: ein Gokart. Sonst keines." :thumbsup:



    Exakt :) Aber: Spaß macht es trotzdem 8) und Marketing muss auch sein...
    Man muss all' diese Dinge eben nur richtig einzuordnen wissen und die Fahrzeuge,
    welche für einen potentiellen Käufer zur Auswahl stehen, persönlich fahren und für sich bewerten.


    Meine Reihenfolge: 1.) MINI JCW, 2.) MINI JCW und 3.) MINI JCW :6413:
    Ernsthaft: Für mich, persönlich, ist der Works die Nr.1, der Opel die Nr. 2 und der Audi auf Platz 3.

  • Man muss all' diese Dinge eben nur richtig einzuordnen wissen und die Fahrzeuge,
    welche für einen potentiellen Käufer zur Auswahl stehen, persönlich fahren und für sich bewerten.


    Dies sollte selbstverständlich sein. Ich weiß, ist es aber nicht.
    Ich mag den JCW so wie er ist. Manch anderem ist er zu komfortabel.